Das Land der Seefahrer, Dichter und Fussball-Europameister macht sich eine neue Sparte zu Eigen: COVID-Hellseherei. Anders ist es nicht zu erklären, dass die portugiesische Regierung heute, am 27. August, beschlossen hat, ab dem 15. September erneut den Notstand über das ganze Land zu verhängen.

Dieser Artikel erschien am 28.08.2020 in „Die Ostschweiz“.

Ab dem 15. wird die Notfallsituation auf das ganze Land ausgedehnt, „damit wir die Maßnahmen festlegen können, die wir in jedem Bereich organisieren müssen, um die Rückkehr in die Schule und die Rückkehr vieler Portugiesen an ihren Arbeitsplatz vorzubereiten“, sagte Staats- und Präsidentschaftsministerin Mariana Vieira da Silva an der Pressekonferenz, die im Anschluss an den Ministerrat von heute Donnerstag abgehalten wurde.

Mariana Vieira da Silva weist darauf hin, dass Portugal nicht mit einer „Verschlechterung der Pandemie-Situation“ konfrontiert sei, und erklärt, dass die Entscheidung, das ganze Land in einen Notstand zu versetzen, nicht mit den neuesten Zahlen zusammenhängt, sondern mit der aktuellen Situation, die in ganz Europa beobachtet wird, sowie mit der Ankunft des Winters und der Rückkehr in die Schule.

„Was wir überall in Europa gesehen haben, ist ein Anstieg der Zahlen in den letzten Tagen, und die Regierung kann diesem Anstieg natürlich nicht gleichgültig gegenüberstehen.“ Was die Ministerin allerdings – wie die meisten ihrer Berufskollegen in ganz Europa– nicht im Blick zu haben scheint, ist der Zusammenhang des Anstiegs der Fallzahlen mit der Erhöhung des Testvolumens. Gerade Deutschland wird hierzulande gerne zum Vergleich herangezogen, ohne jedoch zu erwähnen, dass die dortige Positivrate seit Monaten um die 1% bleibt und dies wohl eher als normale Fehlerquote der PCR-Tests angesehen werden kann.

Den Beweis dafür, dass es sich bei einer Test-Pandemie nicht um eine Krise der Gesundheitsversorgung handelt, lieferte Mariana Vieira da Silva – wenn man sie denn beim Wort nehmen würde – gleich selbst, als sie weiter ausführte: „Seit Anfang Juli gibt uns der Trend einer konstanten Verringerung der Zahl der stationären Patienten auf der Krankenstation sowie der Patienten auf der Intensivstation die Bestätigung, dass das nationale Gesundheitswesen über die Voraussetzungen verfügt, um darauf zu reagieren.“

Die einzigen Regionen mit hohen Fallzahlen sind die Grossräume Lissabon und Porto. In Fundão, dem Landkreis, in welchem wir uns niedergelassen haben, gibt es zur Zeit keine aktiven Fälle. Seit Beginn der „Pandemie“ kam es lediglich zu 21 positiven Testungen – eine Zahl, die von weiteren 213 von insgesamt 533 Kreisen ebenfalls nicht überschritten wird. Wie die konkreten Massnahmen im Bezug auf den Notstand aussehen werden, wird am 7. September beschlossen. Es wäre aber nicht weiter verwunderlich, wenn die Hellseher der portugiesischen Regierung auch diese insgeheim bereits kennen würden.

Denn anders als mit einem Blick in die COVID-Kristallkugel lässt sich die Tatsache, dass im Hintergrundrauschen einer Pandemie ein neuer Ausnahmezustand ausgerufen wird, nicht erklären. Wenn die Tests vorbei wären, wäre die Pandemie vorbei. Die Pandemie, die vielleicht nie eine war, und mit Sicherheit nie das Landesinnere erreicht hat. Ein solch willkürliches Vorgehen der Regierung sollte selbst die zurückhaltenden Portugiesen daran erinnern, dass es nun geboten ist, sich die erst 1974 zurückgeholten Freiheitsrechte zu sichern bevor es zu spät ist.

Manuel Kuster

Vale de Prazeres, 27.08.2020

Quellen:

https://www.rtp.pt/noticias/pais/portugal-em-estado-de-contingencia-a-partir-de-15-de-setembro_n1254741

https://covid19.min-saude.pt/ponto-de-situacao-atual-em-portugal/

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