Könnten wir in die Seele von Pflanzen sehen, was würde sie uns wohl offenbaren? Und sagt auch ihr Äusseres etwas aus über ihr Wesen und nicht nur über biologische Eigenschaften? Einige Spezies bewaffnen sich mit langen und spitzen Stacheln, als wollten sie uns inständig davon abhalten, uns ihnen zu nähern…

Blüte eines Epiphyllus

Die Rede ist von Vertretern der Kakteen und Sukkulenten. Es mag ihr Dilemma sein, dass ihr skurriles Aussehen sie für viele Menschen – darunter auch wir – erst recht interessant macht. Doch mindestens einmal im Jahr scheinen sie definitiv die Aufmerksamkeit der ganze Welt auf sich ziehen zu wollen; dann nämlich wenn sie unser Auge verführen mit Blüten in den schillerndsten Farben und unsäglich köstliche Düfte uns buchstäblich an der Nase herumführen – von Kaktus zu Kaktus und von Sukkulent zu Sukkulent; zahlreich sind diese besonderen Pflanzen glücklicherweise in unserem Garten. Einige davon haben einen spannenden Weg hierher zurückgelegt.

Dieser begann zweitausend Kilometer weit weg von hier, oberhalb des Appenzellischen Dorfs Walzenhausen, wo das Birkenfeld liegt. Eine kleine Strasse führt über grüne Hügel, die sich sanft bis hinunter ins Rheintal fallen lassen. Fast am Ende des Weges nähert man sich einem Garten – oder besser gesagt einem Stück intakter Natur, einem Paradies von Vielfalt und Schönheit, einem Ort, der einen zwingt stehen zu bleiben und zu betrachten, zu lauschen, zu schnuppern und tief in sich die Seele der Welt zu spüren. Inmitten dieser Symphonie aus Sinnen steht eine Frau, genau so stolz, natürlich und zeitlos wie der Garten, dem sie sich gewidmet hat. Sie heisst Claire Reinwald – Tante von Andrea und zugleich Inspiration und Vorbild für uns beide.

bei Claire und Gerd Reinwald im Birkenfeld

Wenn es den sprichwörtlichen grünen Daumen wirklich gibt, dann sind bei Claire ganz sicher alle zehn Finger grün. Im Vergleich dazu findet sich diese Farbe bei uns höchstens hinter den Ohren. Aber Andrea durfte einen Teil ihrer Kindheit im Haus von Tante Claire und Onkel Gerd auf- und damit in diesem Garten mitwachsen und gedeihen, was ihr heutiges Wirken massgeblich geprägt hat. Was wir mittlerweile aus Büchern über Permakultur kennen, zaubert Claire im Birkenfeld schon seit Jahrzehnten ohne je von diesem Begriff gehört zu haben. Ausserdem pflegt sie eine atemberaubende Sammlung von Sukkulenten und Kakteen. Trotz der stachligen Auf-Distanz-Haltung dieser Pflanzen, wollen sie dann doch mit erheblichem Aufwand gehegt und gepflegt werden, besonders im rauen Klima der Alpenländer. Schweren Herzens hatte Tante Claire sich aus Altersgründen von einem beträchtlichen Teil der Sammlung trennen müssen, doch diese Pflänzchen hat sie mit uns zusammen auf die Reise nach Portugal geschickt.

Agave americana an der Küste der Algarve

Ob Aloen, Agaven oder Epiphyllen – unsere wehrhaften Augenweiden zeigen sich im hiesigen milden, trockenen Klima von ihrer genügsamen Seite. Ideale Bedingungen findet offenbar auch die Agave amaricana vor, welche als niedliche Topfpflanze unser Badezimmer in Eggersriet geschmückt hatte und nach nur drei Jahren an ihrem neuen Standort auf der Quinta das Figueiras umgepflanzt werden musste, da ihre mittlerweile riesigen, scharf gezackten Arme unseren Weg durch den Garten versperrt hatten. Überhaupt ist Portugal ein Land der Kakteen und Sukkulenten: verschiedene Feigenkakteen und riesige Agaven-Kraken prägen das Landschaftsbild, ganze Küstenstreifen erblühen unter einem Teppich von Hottentottenfeigenblumen und zahlreiche Aloe-Arten schmücken die Gärten. Die Aloe vera dürfte vielen Leserinnen und Lesern ein Begriff sein; von ihr beziehen wir Naturkosmetik direkt aus unserem Garten. Doch noch mehr angetan hat es uns Aloe arborescens oder Baum-Aloe, welche über eine noch höhere Wirkung verfügt und uns mit ihrer spektakulären Blüte im Winter die Herzen erwärmt (siehe Titelbild).

Blume der Hottentottenfeige

Es wird gesagt, dass das Schenken eines Kaktus’ eine Freundschaft zerstört. Nach der Lektüre dieser Geschichte ist klar, dass wir das für absurden Aberglauben halten. Viele unserer Lieblinge haben wir von guten Menschen geschenkt bekommen – daraus mögen manchmal sogar Freundschaften entstehen. Wer also geneigt ist, uns eine Freude zu machen, der darf sich sicher sein, dass eine exotische, stachelige und ungewöhnlich geformte Gabe diesen Zweck mehr als erfüllen wird! Als Geschenk erhaltene und selbst auf Reisen stibitzte Kakteen und Sukkulenten von überall aus der Welt auf unserem Land zu vereinen und sie dann zu pflegen; uns ihrer lange Zeit zu erfreuen, ist eine Sucht, die uns wohl nicht allzu bald loslassen wird.

Die Welt dieser widerspenstigen Schönheiten ist bizarr und zuweilen scheinbar undurchdringlich wie ein Kakteenwald. Unser Wissen darüber ist noch zu gering um weitere interessante Fakten zum Besten zu geben und die Adjektive reichen nicht aus um mehr über die Faszination zu erzählen, die diese Pflanzen auf uns ausüben. Dazu lassen wir die Bilder sprechen.


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1 Kommentar

  1. Markus Dietsche meint: 29. Mai 2016

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