Es brennt noch immer in Portugal. Das Feuer hat seine Gestalt verändert, doch es wütet weiter. Und die Gefahr sitzt nicht nur in einem Land: Der ganze Planet droht in unsichtbaren Flammen aufzugehen. Doch genau so liegen auch die Verantwortung und die Macht zum Löschen des Brandes in allen Teilen der Welt vergraben und müssen im Verhalten von uns selbst zu Tage gefördert werden. Unser grösster Feind indes ist die Angst. Sie kann uns zwar warnen und uns retten. Sie kann aber auch leicht in Panik ausarten und uns so zu Fehlern verleiten. Deshalb darf nicht fahrlässig damit umgegangen werden. Beide Reaktionen waren im vergangenen Sommer in Portugal eindrücklich zu beobachten als die schlimmen Waldbrände Menschen und Siedlungen bedrohten. Jetzt in diesem Frühling ist es die Regierung, die für Panik und Entsetzen sorgt. Angst darf nicht instrumentalisiert werden. Die Folgen können fatal sein für Mensch und Natur, denn es droht eine uferlose Ausweitung der Zerstörung. Es ist kein Rauch in Sicht am portugiesischen Himmel – doch es brennt weiter.

Prolog

Endlich haben sich die Himmel über dem gepeinigten Land entleert und der lange ersehnte Regen hat in ganz Portugal den Durst der Erde vorübergehend gestillt. Doch in den Gemütern des Volkes schwelen die seelischen Brandherde weiter, die durch die verheerenden Feuerkatastrophen im vergangenen Sommer entfacht worden sind. Ein neues Gesetz – oder besser gesagt die Verschärfung eines bestehenden – zur Waldbrandprävention sorgt für hitzige Köpfe und viel Verwirrung.

Quinta das Figueiras – Heimat der Vielfalt

Der Autor wagt sich in unbekannte Gefilde, als er sich zum Verfassen des vorliegenden Artikels entscheidet. Er verlässt das gemütliche Zuhause, über welches er in der Vergangenheit immer gerne mit schönen Worten berichtet hat, denn er und seine Gefährtin spüren, dass ihr Paradies – und noch viel mehr als das – einer Bedrohung ausgesetzt ist. Unerfahren aber entschlossen dringt der Autor mit diesem Text in journalistisches Terrain vor. Er wird in einem ersten Akt nochmals die Ereignisse des vergangenen Sommers thematisieren; versucht aufzuzeigen, wie es zu den schlimmen Waldbränden kommen konnte und erörtert auch, wie die öffentliche Meinung dadurch beeinflusst wurde.

Der zweite Akt behandelt die Gegenwart und zeichnet auch ein Szenario für die Zukunft –beide beeinflusst durch ein Gesetz zur Säuberung der Grundstücke zwecks Feuerprävention, welches die Regierung in den vergangen Wochen massiv verschärft hat. Da der Autor bekanntermassen auch Bauer ist, fehlt ihm leider die Zeit und die Energie um einen investigativen, faktenbasierten Journalismus zu betreiben. Die Informationen sind natürlich nicht einfach aus der Luft gegriffen; im Hause Quinta das Figueiras ist viel zu der Thematik recherchiert und sind Berichterstattungen verfolgt worden. Aber eine systematische Nachforschung konnte nicht durchgeführt werden. Der Autor schildert die Zusammenhänge gemäss seinem Naturverständnis und baut auf Beobachtungen, die er und seine Gefährtin selbst gemacht haben. Seine Berichterstattung basiert also vor allem auf Eindrücken, weshalb er auf die Idee der Erfindung eines Impressionistischen Journalismus gekommen ist.

 

Erster Akt: Das Spiel mit dem Feuer

 

Trügerische Idylle: Die malerischen Hügel sind mit Monokulturen bewachsen.

 

Szene Eins: Wälder und Plantagen

Wer sich auf eine Spazierfahrt durch die Hügel und Berge Zentralportugals begibt, erhält rasch den Eindruck eines Naturjuwels: Riesige Waldflächen, hie und da durchzogen von einem Flüsschen oder einer Landstrasse, zerstreute Dörfer mitten im allesdominierenden Grün. Bei genauerer Betrachtung wirken diese Flächen allerdings etwas konstruiert; es herrscht eine unnatürliche Ordnung und es fehlt an Abwechslung. Mal sind es Pinien, mal sind es Eukalyptusbäume, die das Auge des sich nähernden Betrachters erkennen kann; und lässt er den Blick dann wieder über die Berghänge und Hügel zurück schweifen, sieht er schon die sich endlos wiederholende Fortsetzung. Was wir hier vor uns haben ist kein Wald, sondern eine Plantage.

Naturbelassene Schönheit

Ein Wald würde in Portugal anders aussehen: Eine lichte Ansammlung von Kork- und Steineichen, gepaart auch mit anderen heimischen Spezies, prägte in den meisten Regionen das Landschaftsbild (in Spanien nennt man diese ursprüngliche und während Jahrhunderten landwirtschaftlich genutzten Wälder Dehesas); in den höheren Lagen wären es dichte Mischwälder mit Kastanien, Medronheiros (westlichen Erdbeerbäumen), Roteichen, Birken, Nadelgehölzen und vielem mehr. Die märchenhaften Forstgebiete auf der Serra da Estrela oder auch der Serra da Gardunha sind leider nur noch Überbleibsel einer einst intakten Natur, die wie vielerorts dem kurzfristigen Denken einer kapitalistischen Mentalität zum Opfer gefallen ist.

Westlicher Erdbeerbaum („Medronheiro“)

Die Quinta das Figueiras soll eine symbolische Reaktion auf die Verödung unserer Landstriche sein – in Einklang mit der landwirtschaftlichen Nutzung des Bodens besteht hier viel Raum, wo die Natur noch sich selber sein darf. Schon entstehen in Rand- und Wildzonen wieder natürliche Mischwaldflecken, die im Schutze der Primärvegetation aus Besenginster, Brombeeren, Wildrosen, Vielblütigem Geissklee und Herbstseidelbast heranwachsen durften. Nicht nur die Sinne des Betrachters werden betört, sondern auch die Tiere der Lüfte und des Bodens finden hier Schutz und Nahrung. Doch die positiven Auswirkungen dieses Schaffens mit der Natur gehen noch viel weiter. Der Autor wird diesen Ansatz im zweiten Akt aber noch genauer ausführen.

 

Szene Zwei: Tickende Zeitbomben

Pinhal do Interior

Portugals ursprüngliche Wälder sind vor Jahren einer zügellosen Abholzungswut zum Opfer gefallen, die bereits zur Zeit der historischen Entdeckungsfahrten begann, als robuste einheimische Hölzer für die Schiffe des ehrgeizigen Königreichs gebraucht wurden. Als sich später die ersten Probleme des grossflächigen Kahlschlags bemerkbar machten, wurde vielerorts neu aufgeforstet. Da es wohl schnell gehen musste, wie immer, wenn die kurzlebige Politik auf Lösungen pocht, waren es vor allem Kiefernplantagen (Pinien), die fortan den grossen Pinhal do Interior (Kiefernwald des Inlandes) formten und somit weite Teile des Landes mit einer Monokultur aus höchst brennbaren Bäumen überzogen wurden. Wirtschaftlich betrachtet war die schnellwachsende, einheimische Kiefer natürlich ein grosser Erfolg, denn das Holz war zu Konstruktions- und Heizzwecken sehr gefragt und konnte billig verkauft werden.

Wenig später entdeckte die Industrie auch den Eukalyptus, der wegen seiner ausgeprägten Fähigkeit, das Wasser aus dem Boden zu ziehen, bis dahin nur zur Trockenlegung von Sumpfgebieten eingesetzt worden war. Bald wurden Berge und Täler, Hügelzüge und Ebenen vom australischen Einwanderer besiedelt. Insbesondere die Papierindustrie erlebte dank dem Eukalyptus einen Aufschwung und gehört mittlerweile zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen in Portugal. Aber auch eine Eukalyptusplantage ist kein Wald, kein lebender Organismus, es ist eine Industriezone, die dem Boden in verheerendem Ausmass das Wasser entzieht und die Erde durch die im Laub vorhandenen ätherischen Öle praktisch verbrennt. In einem ohnehin trockenen Klima sind die Folgen für die Umwelt fatal.

Löschhubschrauber bei der Arbeit

Waldbrände sind in gewissen Abständen ein normales Phänomen und gehören zum natürlichen Kreislauf dazu. Gesunde Mischwälder verfügen aber über viele feuerresistente Baumarten, wodurch eine grossflächige und schnelle Ausbreitung des Feuers eingedämmt wird. Von Natur aus ist das Klima in diesem Wald kühler, die Verdunstung sorgt für eine höhere Luftfeuchtigkeit und der Grundwasserpegel liegt durch die Sogwirkung der Wurzeln höher – und tritt in Form von Quellen ganzjährig oder saisonal an die Oberfläche. Der Wald bietet Lebensraum auch für Wildtiere, die niedrige Pflanzen und tiefliegende Äste fressen und somit weiter zum Brandschutz beitragen. In einer Monokultur aus Eukalyptus oder Kiefer herrscht eine Einöde der Biodiversität; eine lebensfeindliche Zone. Zusammen mit den oben genannten Aspekten wirkt eine solche Plantage im Falle des Ausbruchs eines Feuers wie ein Brandbeschleuniger.

Die Holz- und Papierindustrie, sowie die unter deren Einfluss stehenden Politiker in Portugal und im EU-Parlament liessen es zu, dass der grösste Teil der Einwohner Portugals während Jahrzehnten inmitten einer gigantischen tickenden Zeitbombe lebte. Aber wir alle – egal in welchem Land – müssen lernen, dass Holz und Papier kostbare Rohstoffe sind, die momentan zu billig und zu selbstverständlich verfügbar sind. Den Preis zahlt die Natur, und das kann uns nicht egal sein, wenn wir begreifen, dass wir ein Teil von ihr sind. Je nach Staat haben wir mehr oder weniger direkten Einfluss auf das politische Geschehen. Aber unsere wahre Macht liegt in unserem Verhalten als Konsumenten. Nehmen wir diese Verantwortung wahr!

 

Szene Drei: Papierkrieg

Spiegelblick: Manchmal kann einem das Lachen aber auch vergehen

Der Autor und seine Gefährtin waren Abenteurer, als sie in ihr neues Leben aufgebrochen waren; sie waren Forscher, als sie sich über die oben beschriebenen Probleme noch vor der Auswahl ihres neuen Heims schlau gemacht hatten; und sie wurden schliesslich zu bescheidenen aber immer konsequenteren Revolutionären, als sie der Papierindustrie den Krieg erklärt hatten – mit den Waffen des Konsums. Der Kampf gegen die zerstörerischen Auswüchse eines kapitalistischen Systems ist in erster Linie der Kampf gegen die eigenen Gewohnheiten. Somit begannen die beiden friedvollen Krieger ihren ersten Feldzug mit einem eindringlichen, aufrichtigen und schonungslosen Blick in den Spiegel.

Die Möglichkeit zur Reduktion des Papierstapels im Postfach ist einer der positiven Aspekte der digitalisierten Welt (andere Aspekte muss der Autor an dieser Stelle aussen vor lassen). Rechnungen, Bankauszüge, was auch geht, soll elektronisch zugestellt werden. Dass die Werbung im Briefkasten abgelehnt wird, dürfte schon zum guten Ton gehören – es muss andere Wege geben, einen guten Postservice zu finanzieren. Was dennoch als Papier im Haushalt landet (und das ist nicht wenig) wird wenigstens weiterverwendet: Notizblöcke mussten für die Quinta das Figueiras schon längst keine mehr eingekauft werden; es gibt genügend Umschläge und leere Rückseiten von Briefen, auf welche die konsumkritischen Auswanderer ihre Arbeitslisten und Projektskizzen notieren. Der letzte Weg führt den Zettel schliesslich in die Recycling Tonne oder in den Ofen, wo das durch Papier entfachte Feuer an kühlen Tagen endlich ein Segen ist.

In vielen Küchen gehört eine grosse Rolle Haushaltspapier zur Grundausstattung. Aber auch hier darf (bzw. muss) hinterfragt werden, was uns die Werbung vorlebt: Wisch und weg, bei jedem kleinen Fleck wird zum Papiertuch gegriffen. Und zum Trocknen des Waschbeckens muss es gleich ein kleiner Stapel sein. Was spricht gegen die Verwendung eines feuchten Lappens zum Putzen und eines trockenen zum Nachtrocknen? Auch im Papierkriegerhaushalt findet man eine solche Rolle, die aber nur bei Missgeschicken mit grossen Mengen Öl oder Katzenausscheidungen an unangemessenen Stellen zum Einsatz kommt. Papiertaschentücher durch das Retro-Stoffschnupftuch ersetzen ist hier der letzte Schrei. Und muss denn jedes Geschenk in neuem Papier verpackt werden? Die zum Umdenken motivierte Leserschaft hat bestimmt noch zahlreiche weitere Ideen, wie der Papierverbrauch reduziert werden kann. Kreativität ist ein unschlagbares Mittel im Kampf gegen die Industrie.

Tischlein deck dich regional und saisonal – am besten aus dem eigenen Anbau

Im Einkaufsladen gilt es, den Blick für das Schlichte und Pragmatische im Dschungel des Verpackungsirrsinns zu bewahren. Und auch über die Papierverschwendung hinaus kann der Kunde zur Entschärfung eines weiteren grossen Problems beitragen: Jenes der Wasserknappheit. Die Trockenheit in den Sommermonaten wird nämlich umso prekärer, da gewaltige Mengen Wasser den Flüssen entzogen werden – dem Rio Tejo beispielsweise schon in Spanien, wo damit Zitrusplantagen in Murcia oder die Gewächshauswüste in Almeria bewässert werden. Der ganze Mittelmeerraum droht zu verdursten, weil die Konsumenten in Mitteleuropa – dazu zählen gewiss auch einige LeserInnen dieser Zeilen – ganzjährig Orangen, Erdbeeren, Tomaten, Zucchini und Co. billig einkaufen wollen. Auch der Tourismus verschlingt Unmengen an Trinkwasser, so unverzichtbar dieser Wirtschaftssektor für Südeuropa auch sein mag. Begünstigen Sie bei Ihrem nächsten Spanien- oder Portugalurlaub bitte Unterkünfte, die halt keinen Swimmingpool, keinen grünen Rasen und keine gepflegte Golfanlage anbieten. Die Feriendestinationen haben auch ausserhalb dieses unverantwortlichen Luxus viel zu bieten.

 

Szene Vier: Dämonen der Flammen

Kleine Veränderungen im Alltag können verhindern, dass sich wiederholt, was bis im letzten Sommer für unmöglich gehalten oder schlicht ausgeblendet worden war: Eine Feuerkatastrophe biblischen Ausmasses, die ein ganzes Land über Monate mit Rauch und Asche erstickt und bis in die tiefste Seele nachhaltig verbrannt hat. Der Autor und seine Gefährtin durchlebten Wochen der Fassungslosigkeit und Trauer, als die Tragödie im Juni ihren ersten fatalen Höhepunkt erreicht hatte: Viele Menschen verloren ihr Leben in den Flammen; von den Tieren nicht zu reden, die dem grossflächigen Inferno in der Gegend um Pedrógão Grande zum Opfer gefallen sind. Schwarzer Rauch überzog weite Teile des Landes mit einem erstickenden Schatten, wie ein Leichentuch.

Waldbrand auf der Serra da Gardunha im August 2017

Nach einer zwischenzeitlichen Bändigung holte die Feuerbestie im August zu ihrem zweiten grossen Schlag aus und bedrohte gar das geliebte Heim unserer beiden Protagonisten. Voller Angst und Entsetzen sahen sie, wie die Rauchsäule hinter der Serra da Gardunha immer dichter und mächtiger wurden, dann wurden die ersten Flammen auf dem Berggrat für die furchterfüllten Augen erkennbar. Das Gefühl der Machtlosigkeit versuchten der Autor und seine Gefährtin mit Patrouillenfahrten zu bekämpfen; an Schlaf war nicht zu denken, denn die Nacht war erfüllt vom Gestank des verbrennenden Planeten und dem Lärm heulender Sirenen. Sie wurden Zeugen, wie Menschen in der sich ausbreitenden Panik ihre Grundstücke und sogar betonierte Garagendächer mit dem Gartenschlauch bewässerten.

Die Gefahr kam der Quinta bedrohlich nahe.

Die Zugezogenen fanden keinen Trost im Verhalten der Einheimischen, die schon mit der drohenden Gefahr des feurigen Damoklesschwerts aufgewachsen waren. Der ansonsten stets souveräne Lieblingsnachbar bot seine Hilfe im Falle einer Evakuierung an, die Gefahrenlage irgendwie eingrenzen konnte aber auch er nicht – noch nie hatte jemand eine ähnliche Situation durchlebt. Tens de limpar isto tudo, wiederholte ständig eine andere Nachbarin; du musst hier alles saubermachen; sie meinte damit Büsche und Bäume, die in natürlicher Zahl und Ordnung auf der Quinta das Figueiras auch in Hausnähe stehen. Schliesslich verzehrten die Flammen, die sich an der Feuerfront wie wütende Dämonen aufbäumten, schon fast die ganze Bergflanke, dann ebbte der Wind ab und das Atemholen war in der Stille greifbar. Als sich das Ungeheuer darauf wieder erhob und unaufhaltsam ins Tal fegte war es nur noch der Wind, der darüber richtete, was brennen und was heil bleiben sollte.

Immer wieder die Löschflugzeuge

Es wurde viel diskutiert – in den Dörfern, in den Medien und in der Politik – doch es gab kaum Raum für konstruktive Ansätze. Denn nur wenige Tage in diesem Sommer waren klar und liessen den gepeinigten Herzen ein wenig Linderung zukommen. Meist war ein beissender Rauchgeruch in der Atmosphäre, der das Licht und die Seelen betrübte; das Geräusch der Löschflugzeuge löste immer wieder Besorgnis aus – noch bis weit in den Herbst sorgte der Propellerlärm für einen Impuls der Angst, erinnert sich der Autor und kann sich vorstellen, dass dieser Zustand einem Kriegstrauma ähnlich ist. Sämtliche Hoffnungen waren auf den Herbst gerichtet. Doch es wurde Oktober, die erwarteten Regenmassen blieben weiterhin aus; und noch einmal erhob sich die Feuersbrunst, verzehrte grössere Landstriche als je zuvor; erst dann hatten die Himmel endlich Erbarmen. Zurück blieb verbrannte Erde.

 

Zweiter Akt: Der Patient stirbt an der Behandlung

 

Bodenerosion auf dem „gepflegten“ Grundstück unserer Nachbarn

 

Szene Eins: Rauchende Köpfe und feurige Taten

Die Aufräumarbeiten in den verbrannten Gebieten und in den Verwirrungen der Geschehnisse des Sommers begannen mit der Ankunft der kühleren Jahreszeit. Die Ursprünge der verschiedenen Brandherde wurden selbstverständlich nicht erst jetzt untersucht, schon früh konnte relativ klar gesagt werden, dass das grosse Feuer von Pedrógão Grande durch einen Blitzeinschlag während eines Trockengewitters ausgebrochen sei. Immer wieder war in den Medien auch von Brandstiftung zu lesen oder von grober Fahrlässigkeit. Besonders tragisch findet der Autor einen Fall, wo in einem Akt von Panik Buschland mit einer Metallklinge geschnitten worden und durch einen Funkenschlag ein neuer Waldbrand entfacht worden sei.

Der unglückliche Arbeiter mit der Motorsense und die aufgeregte Nachbarin der Quinta das Figueiras hatten nicht zufällig die limpeza do terreno, die Reinigung des Grundstücks von brennbarer Masse, als Antwort auf die drohende Feuergefahr im Sinn. Es gibt seit 2006 ein Gesetz dazu – der Autor wird weiter unten detailliert darauf eingehen – und nebst den regelrechten Hetzjagden auf Brandstifter wurden auch immer wieder Stimmen laut, die propagierten, dieses Gesetz soll härter angewendet werden; Schuld seien Grundbesitzer, die ihre Grundstücke verwahrlosen liessen. So oder anders: Der Druck auf die Politik stieg an, je mehr sich die Bevölkerung aus dem Schockzustand löste.

Auch mit Pyrenäeneichen wurde neu aufgeforstet.

Doch während die Presse jede Woche einen neuen Experten zitierte, der dies und das widerlegte, was ein Kollege ein paar Tage früher aufgezeigt hatte, kanalisierten grosse Teile des portugiesischen Volkes ihre Energie in die Wiederaufforstung ihrer Wälder. Auch auf der Serra da Gardunha, dem Hausberg der Quinta das Figueiras, waren viele Hektare echten Waldes niedergebrannt, als das Feuer aus den Plantagen wie eine Walze herangefegt kam. Die Seele der Einwohner blutete doch es wurden Samen von verschiedenen heimischen Bäumen gesammelt und direkt verteilt oder vorgezogen und später ausgepflanzt. Hier und an vielen anderen Orten mussten die Menschen auf eigene Kosten selbst in die Hand nehmen, wofür endlich die Hauptverursacher geradestehen müssten.

Eine erste Massnahme der Regierung zielte tatsächlich gegen die Monokulturen: Neupflanzungen von Eukalyptus wurden mit sofortiger Wirkung verboten. Die Papierindustrie indes wehrte sich kaum dagegen, schliesslich konnten sie die ganzen verbrannten Holzmassen zu Tiefstpreisen einkaufen und praktisch ohne Qualitätseinbussen zu Zellulose verarbeiten. Doch die ganze Augenwischerei dieses Regierungsbeschlusses erkannten der Autor und seine Gefährtin, als sie etwas später mit dem Auto nach Coimbra fuhren und dabei die riesigen abgebrannten Flächen von Eukalyptusplantagen durchquerten, auf der Strasse, wo im Juni 2017 viele Menschen zu Tode gekommen waren: Links und Rechts spriessten bereits wieder neue Stämme in die Höhe, denn der Eukalyptus lässt sich durch Feuer nicht zerstören – mit neuer Kraft und unglaublich schnell wächst der Baum wieder nach, so dass diese Plantagen bereits in naher Zukunft wieder wie eh und je im unschuldigsten Grün erstrahlen werden.

 

Szene Zwei: Die Propagandamaschine

Über den Winter wurde es kühler, auch um die Waldbrandthematik. Man widmete sich den Aufräumarbeiten und freute sich über jede Korkeiche, die das Feuer anscheinend überstanden hat und nun wieder austrieb. Einzig, dass es weiterhin viel zu wenig geregnet hatte, sorgte für Stirnrunzeln bei den Bauersleuten auf der Quinta das Figueiras, die sich angesichts des tiefen Grundwasserpegels ein düsteres Szenario für den nächsten Sommer ausmalten. Jedenfalls haben die beiden vorsorglich keine neuen Bäume eingekauft um die Bewässerung über die trockenen Monate zu entlasten. Jetzt berichtet der Autor dies aber wesentlich entspannter, denn in den vergangenen drei Wochen sind gigantische Regenmengen niedergegangen, dies möchte er vorweg nehmen, bevor er sich wieder dem widmet, was eine feurige Wut in ihm entfacht hat.

Ein „sauberes“ Grundstück

Der Skandal begann mit einer E-Mail, so unscheinbar, dass sie im Postfach der Gefährtin des Autors fast verlorenging (ironischerweise war das elektronische Papier gar im Spam-Ordner gelandet). Absender war die Steuerbehörde, deren Adressverzeichnis zweckentfremdet worden war um ein dringendes Anliegen der Regierung, genauer gesagt des Ministeriums für Landwirtschaft, Forstwesen und ländliche Entwicklung, zu verkünden. Es war der Auftakt zu der grossangelegten Kampagne Portugal sem fogos (Portugal ohne Feuer), die das vom Autor bereits angetönte Gesetz von 2006 und dessen Anwendung in verschärfter Form propagierte, wie dies in den nachfolgenden Tagen auch auf Hochglanzpapier gedruckte Flyer und Plakate tun würden. Bevor der Autor detailliert den Inhalt dieser Informationsbombe preisgeben wird, möchte er, da es von Bedeutung ist, noch zu Protokoll geben, dass es am 22. Februar war, als die Propagandamaschine gestartet wurde.

In der fraglichen E-Mail also warnt das Finanzministerium die Steuerzahler, dass sie bis zum 15. März Zeit haben, im Umkreis von 50 Meter um die Gebäude und 100 Meter um Dörfer alle Büsche zu roden und Bäume zu fällen. In der Nachricht hiess es weiter, es sei obligatorisch, die Baumkronen bis auf vier Meter über dem Boden zu säubern und sie mindestens vier Meter voneinander entfernt zu halten. Alle Bäume und Sträucher müssen innerhalb von 5 Metern Distanz zu den Häusern abgeschnitten werden. Bei Nichteinhaltung dieser Regelung bis zum 15. März, können Geldstrafen erhoben werden, die bei einer natürlichen Person zwischen 280 und 10.000 Euro und bei juristischen Personen zwischen 3.000 und 120.000 Euro betragen können. Die Drohschrift wurde schliesslich abgeschlossen mit kämpferischen Parolen wie a vida de sua família e a segurança de suas propriedades dependem de seu gesto (das Leben Ihrer Familie und die Sicherheit Ihres Eigentums hängen von Ihrem Tun ab).

 

Szene 3: Etwas ist faul im Staate Portugal

Kollateralschaden der Landreinigungs-Propaganda

Dies also war die Antwort der portugiesischen Regierung auf die Feuerkatastrophen des vergangenen Jahres: eine Androhung massiver Repressionen gegen die angeblich für die Gefahr verantwortlichen, nachlässigen Grundbesitzer sowie die Gemeinden, welche die Vorgaben bei ihren Grundstücken und entlang von Strassen ebenfalls umzusetzen haben. Die Unklarheit mit der die Gesetzeslage formuliert wurde, die hohen Bussen, die unrealistische Frist und die reisserische Aufmachung der Propaganda mündeten in blanke Panik: Grundbesitzer fällten in aller Eile wertvolle Obstbäume und auch Zierbäume, die schon in den Kindheitserinnerungen der Ältesten Strassen und Plätze schmücken durften, fielen dem Rundumschlag des Staates zum Opfer. Dieser beschwichtigte und konkretisierte in den folgenden Tagen, dass Obstbäume ausgenommen seien und, dass auch nur die Einwohner in als ländlich klassifizierten Gegenden der Regelung unterworfen seien (die E-Mail ging an sämtliche Steuerzahler); das Unheil allerdings war bereits angerichtet.

Die Verwirrung unter den Bewohnern ging jedoch weiter; noch blieben zu viele Fragen offen. Auch der Autor und seine Gefährtin haderten, informierten sich, wägten ab und handelten, wo es möglich und angebracht erschien – aber die konkreten Auswirkungen für die beiden und ihre Quinta das Figueiras wollen weiter unten beschrieben werden. Zuerst wollte die Regierung in aller Härte klar machen, dass – so sagte der Ministerpräsident – Jeder Busch, jeder Baum, der nicht dort sein sollte, wo er ist und der entfernt wird, ist eine Feuergefahr, die wir eliminieren und wahrscheinlich ein Leben, das wir retten. Es wurde auch klargemacht, dass bei Nichteinhalten des Gesetzes Zwangsmassnahmen veranlasst werden können, die den fehlbaren Eigentümern verrechnet würden. Dies waren die Wirren der ersten Tage im neuen Portugal, dem feuersicheren Staat. In der folgenden Woche kamen endlich die ersehnten Regenschauer, die lange blieben und der Natur den verdienten Segen brachte. Die erhitzte Volkseele indes vermochte er nicht zu kühlen.

Das Dickicht mit herrlich blühendem Besenginster ist illegal.

Die Frist sei viel zu knapp, die Arbeiten würden durch den vielen Regen zusätzlich gebremst. Viele Grundeigentümer, gerade Alte und Gebrechliche, hätten weder das Geld noch die Kraft, die strikten Vorgaben umzusetzen. Noch immer bestünden viele Fragen, die auch an der eingerichteten Hotline nicht beantwortet werden könnten. Der Staat betreibe eine caça da multa, eine Jagd nach Bussen… dies waren die häufigsten Steine des Anstosses, und sie waren alle nicht unberechtigt. Die Regierung versuchte derweil mit der linken Hand beschwichtigend für Aufklärung zu sorgen, während sie die rechte zur Faust ballte und weiterhin an der Frist festhielt: ab dem 16. März würden die Kontrollen durch die GNR (eine militärische Einheit, deren Kompetenzen unklar sind) beginnen. Es roch in der Tat nach einem weiteren Geschäft mit dem Feuer – Firmen, die diese Grundstückssäuberungen anboten profitierten jedenfalls, es schossen auch neue, unseriöse Anbieter wie Pilze aus dem Boden und die Preise stiegen ins Astronomische. Auch die Gemeinden protestierten, es fehlen ihnen die Mittel um dem Gesetz in ganzer Konsequenz zu entsprechen.

Die Vielfalt auf der Quinta das Figueiras ist in Gefahr.

Erst am Tag vor dem Fristende, als schon unzählige weitere Umweltverbrechen begangen worden waren, steckte die Regierung zurück: Die Kontrollen würden zwar wie geplant beginnen, doch Bussen gäbe es erst im Juni, wenn bis dann die eruierten Massnahmen noch immer nicht umgesetzt worden seien. Seither ist es etwas ruhiger geworden um dieses Thema, das portugiesische Volk scheint beschwichtigt und macht sich nun obrigkeitshörig daran, ihr Land zu roden. Die ganze Farce hat dazu geführt, dass dem Kern der Sache nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Denn in der Tat droht weitaus Gewichtigeres als Geldstrafen: nämlich eine noch grössere Naturkatastrophe als es schon die Waldbrände waren – so zumindest sehen es der Autor und seine Gefährtin, die im nächsten Abschnitt versuchen werden, die Gründe für ihre Ablehnung gegen dieses Gesetz zu erläutern. In der portugiesischen Öffentlichkeit wurde die umweltschädigende Wirkung dieser Massnahmen zum Feuerschutz bisher leider kaum oder nur ansatzweise thematisiert.

Eine Ausnahme bildet Portugal sem árvores (Portugal ohne Bäume); so nennt sich eine Gruppierung in den sozialen Medien, die sich gegen die Staatskampagne Portugal sem fogos (Portugal ohne Feuer) und bringt damit die grosse Widersprüchlichkeit der Feuerschutzmassnahmen aufs Parkett, wenn sie kritisiert: Ein schlechtes Gesetz, das die freie und massive Zerstörung von Sträuchern, Bäumen und Bäumen fördert, die für die Lebensqualität, die Landschaft und die ländlichen Ökosysteme unerlässlich sind. Genau diese Tatsache versucht nun der Autor an dieser Stelle anhand des Beispiels der Quinta das Figueiras zu erläutern; die Wichtigkeit dieser Botschaft zu unterstreichen und zu verbreiten ist das Hauptanliegen des vorliegenden Artikels. Das es sich um eigene Beobachtungen von ihm und seiner Gefährtin zur drohenden Verwüstung der Landschaft handelt, wird der Autor diese Erläuterungen in der folgenden grossen Schlussszene in der Wir-Form darlegen um den impressionistischen Kontext zu unterstreichen.

 

Szene Vier: Die helfende Hand

Es ist besser, mehr als weniger zu eliminieren, je mehr eliminiert wird, desto geringer ist das Risiko, lässt der Ministerpräsident verlauten und spräche er beispielsweise von Waffen, würden wir die Aussage begrüssen. Doch er spricht von Bäumen und Büschen, die regelrecht kriminalisiert und zum Feindbild hochstilisiert werden. Um jeden einzelnen Baum, der den Flammen zum Opfer gefallen war, haben wir als ganzes Land getrauert und nun sollen wir die Überlebenden den Klingen und Sägeblättern zum Frass vorwerfen? Unser eigener Wald, der Dank der freien Hand der Natur auf der Quinta das Figueiras heranwachsen darf, ist zu einem grossen Teil so illegal wie eine Drogenplantage. Doch die rigorose Durchsetzung des besagten Gesetzes hätte weitreichende Folgen – für unser Projekt aber auch für das ganze Land und alle Teile der Welt, wo der Wald bedroht wird durch den rücksichtslosen Umgang mit dem Feindbild Natur.

Vielblütiger Geissklee

Wir versuchen eine Erläuterung des Problems anhand einer einfachen Zusammenfassung des natürlichen Kreislaufs, den wir auf der Quinta das Figueiras fördern und nutzen wollen. Abgesehen von den alten Olivenbäumen und den ehrwürdigen Feigenbäumen trafen wir nicht viele Pflanzen an, als wir den Hof übernommen hatten. Vor dem Verkauf hatte die ehemalige Eigentümerin (oder deren Familie, denn es war eine bereits recht betagte Dame) offenbar noch viele Bäume fällen lassen; also gewissermassen biologisches Kapital abgezogen. Dann sorgte der Immobilienhändler zwischenzeitlich dafür, dass die nachwachsende Vegetation regelmässig gemäht wurde – also um das Land sauber zu halten, so wie es das Gesetz verlangt. Einzig ein paar junge Korkeichen blieben erhalten, denn diese stehen unter Naturschutz. Den Rest besorgten die Ziegen der Nachbarn, die ständig auf das unbewohnte Grundstück gelassen worden waren. Wie die alte Dame früher das Land gepflegt und bewirtschaftet hatte, wissen wir nicht aber aus genannten Gründen war die Quinta zum Zeitpunkt als wir sie gekauft hatten, tudo limpo (ganz sauber) aber sehr karg und erodiert; vielerorts war der Boden wegen der Ziegen verdichtet.

Blaue Lupine mit Holzbiene im Anflug.

Doch die Natur eroberte sich ihr Terrain zurück: Besenginster, Brombeeren, Wildrosen, Vielblütiger Geissklee und Herbstseidelbast besiedelten die nackten Böden, Ackerringelblumen, Blaue, Gelbe und Weisse Lupinen, robuste Gräser wie die Quecke, und andere Pionierpflanzen sorgten für einen Wiesenbewuchs. Als wir ein gutes Jahr nach dem Kauf des Bodens endlich auf der Quinta das Figueiras einzogen, waren grosse Teile des Grundstücks bereits wieder verwildert. Das tönt negativ und tatsächlich wollten auch wir an einigen Stellen Eingriffe vornehmen, weil es einerseits unseren Lebens- und Wirkungsraum einschränkte und andererseits die Ästhetik beeinträchtigte (beispielsweise sollten die schönen alten Terrassenmauern sichtbar bleiben). Aber weitgehend durfte die Vegetation ihre schützende Decke über das ausgelaugte Land legen. Denn in der Wildnis passiert das Leben: In den Brombeerdickichten lassen sich Vögel nieder, welche die Samen von verschiedensten Pflanzen verteilen. Im Schatten der Gebüsche können diese keimen und zu neuen Bäumen und Sträuchern heranwachsen. Die Wurzeln der Pflanzen halten die Böden zusammen und ihr Zerfall erschafft frische, reiche Erde.

Ein Arbeiten mit der Natur – nicht gegen sie

Es ist uns klar, dass gerade diese Zistrosen, Brombeeren und Ginster tatsächlich sehr intensiv brennen und wir uns daher eine gewisse Gefahr aufbürden. Doch es ist auch nicht so, dass wir uns damit in völliger Selbstlosigkeit zu Märtyrern machen, denn die Natur hilft uns, unsere Ziele zu verfolgen – sofern wir sie nicht als Feind betrachten, sondern mit ihren Kreisläufen arbeiten. Unsere Neupflanzungen und unsere Gemüsegärten müssen bewässert werden, aber die wilde Vegetation bietet unseren Neuankömmlingen Schutz vor Sonne und Wind, wodurch sich der Wasserverbrauch verringern lässt. Sie erschaffen einen Boden, der erfüllt ist von Vitalität und Nährstoffen; die Grundlage also für ein gesundes Wachstum der von uns gewünschten Vielfalt. Gerade Hülsenfrüchtler wie Ginster, Geissklee und Lupinen filtern den Stickstoff aus der Luft und binden ihn in den Wurzeln. Mit dem Ableben der Pflanze und deren Zersetzung gelangt der Stickstoff in den Boden. Dazu kommen auch noch sehr direkte Effekte wie das Nahrungsangebot und den medizinischen Nutzen, mit welchen uns viele der wild wachsenden Pflanzen versorgen, ohne dass wir dafür einen Finger krümmen müssen. Nur den Mund öffnen und geniessen – wie im Schlaraffenland!

Der Herbstseidelbast versorgt viele Insekten mit Nahrung.

Ein gesunder Wald ist die Kathedrale der Erde. Sie wird erbaut, wie erwähnt, im Schutze der Primärvegetation. Ohne Eingriffe des Menschen würde diese am Ende ihres Lebenszyklus absterben, den nun mündigen Bäumen den Boden bereiten und ihnen den Raum überlassen, den sie brauchen um zu mächtigen Riesen heranzuwachsen. Hier helfen wir der Natur jeweils etwas nach, indem wir, wenn wir junge, gesunde Bäume im Dickicht entdecken, das Buschland darum herum selbst entfernen, ohne dass wir auf das natürliche Absterben warten. Denn ab diesem Punkt können die Korkeichen, Steineichen, wilden Olivenbäume, Pinien oder Pyrenäeneichen dank unserem Eingriff gar noch schneller wachsen. Beglückt dürfen wir nun schon während fast fünf Jahren beobachten, wie die grünen Gemäuer und die lebendigen Säulen stetig empor wachsen und das heiligste Gebäude der Natur immer eindrücklichere Formen annimmt. Bald dürfen wir ehrfürchtig durch die Wald-Kirche wandeln und uns an ihrem Schutz, ihrem Prunk, ihrer Grosszügigkeit und ihrer heilenden Wirkung laben. Wenn Gott existiert, wo sollte er wohnen, wenn nicht in der Kathedrale der Erde?

Eingriffe in den natürlichen Heilprozess der Erde nehmen wir zusätzlich zu den bereits erwähnten Beispielen immer sehr sorgfältig, präzis und wohlüberlegt vor. Auch wir haben in einem gewissen Radius um unser Haus und die Nebengebäude (es sind nicht überall 50m) Abstände einkalkuliert, die uns vor einem Feuer schützen sollen. Die Wildvegetation wird dabei aber nicht komplett entfernt sondern ausgelichtet und in jedem Fall mit Neupflanzen so gut wie möglich kompensiert. Obstbäume, Ziersträucher, Rosenbüsche oder auch ausgefallene Gehölze sollen neuen Lebensraum und Nahrungsquellen für die Tierwelt schaffen (der Zyniker fragt sich allerdings, ob nun ein Rosenbusch weniger brennen würde als Brombeeren…). Leider fehlt das Grosswild in der Gegend, wohl da es durch Zäune und grosse Ackerflächen an einer Ausbreitung gehindert wird. Diese Tiere nämlich würden in einem Wald den Unterbewuchs kontrollieren und somit ebenfalls zur Reduktion der Feuergefahr beitragen. Diese Aufgabe müssen wir mit der Motorsense selbst erfüllen. Unsere Wasserlandschaft (der erste See ist schon gebaut) ist wahrscheinlich der grösste Eingriff in die Natur, doch ist das Projekt unverzichtbar zur Unterstützung der natürlichen Vorgänge, die zur Erfüllung unseres Traums von einem Waldgarten der Sinne führen sollen.

Wald in Entstehung auf der Quinta das Figueiras

Ein gesunder Baumbestand schützt also die Erde vor den extremen Einflüssen des Wetters und er bietet Raum und Nahrung für eine Vielzahl von Lebewesen – darunter auch wir Menschen. Hinlänglich bekannt (aber tragischerweise dennoch konsequent ignoriert) ist die Tatsache, dass unsere Atemluft zum grössten Teil von den Wäldern dieses Planeten produziert wird. Aber Bäume und auch Büsche und Wiesen sorgen darüber hinaus dafür, dass das Wasser aus Niederschlägen in den Boden sickern kann bis es das Grundwasser speist; dass es auch an Hanglagen nicht bloss wegfliesst oder in Tümpeln auf einer verdichteten, harten Oberfläche verdampft. Wie ein Schwamm vermag der lockere Waldboden das Regenwasser aufzusaugen und Wurzelsysteme halten Erde und Gesteinsbrocken zusammen. Durch die Sogwirkung von Baumwurzeln wird der Grundwasserspiegel sogar angehoben und andere Pflanzen mit kleineren Wurzeln können davon profitieren. Die Decke aus lebendiger Masse mässigt die Tageshitze und entschleunigt die Abfuhr von Wärme bei Nacht. Durch die Verdunstung der Blätter wird die Luftfeuchtigkeit erhöht. Die Minderung von extremen Hitze- Trockenperioden wäre gerade im Kampf gegen die Waldbrände eine riesiger Vorteil. Die Natur streckt helfend ihre Hand aus, doch einmal mehr wird diese abgehackt.

Der staatlich verordnete Kahlschlag hat begonnen; es ist leider überall zu beobachten. Wir blicken auf einen Hang, der von einer Bauersfamilie der Nachbarschaft bewirtschaftet – oder besser gesagt zerstört – wird: Mit Mähmaschinen und Pflügen wurde eine ganze Landschaft plattgewalzt; in schierer Panik und Hörigkeit. Die Vielfalt, die wir gerade hier in unserer selbst gewählten Heimat vorgefunden haben, droht zu verschwinden. Die Leute nicken, wenn wir ihnen unsere Verständnislosigkeit diesem Tun gegenüber erklären und geben uns im Prinzip sogar recht aber sie sagen Pois… (Tja…); der kurze und prägnante Ausdruck einer uferlosen Rat-, Hilf- und Willenlosigkeit in Angesicht der umgehenden Angst. Schon jetzt ist die Erosion dieses Bodens sichtbar; grausam haben die starken Niederschläge dieses Frühlings tiefe Furchen in den Grund gerissen. Mit jedem Regen wird mehr Erde ins Tal geschwemmt und mit den Wasserläufen auf ewig davon gerissen. Einst wird ein Windstoss, der ungebändigt über den trockenen, kahlen Boden fegt, den letzten Hauch von Leben in alle Himmelsrichtugen verstreuen; grosse Landstriche werden verwüstet sein. Dann können sich die Leute endlich in Sicherheit wähnen – denn die Wüste brennt nicht.

 

Epilog

Ein düsteres Bild für die Zukunft

Für den Autor und seine Gefährtin persönlich werden die kommenden Wochen nicht angenehm, denn sie müssen jederzeit damit rechnen, dass die Polizei anklopft. Sie versuchen ihr Land so gut als möglich vorzeigbar zu machen ohne zu viele Kompromisse einzugehen. Die Hoffnung, dass wohlwollende und verständinsvolle Charaktere die Kontrolle durchführen werden dominiert zur Zeit. Wie sie reagieren werden, wenn brutale weitere Eingriffe gefordert und hohe Bussen oder gar Zwangsvollstreckung angedroht werden, wissen die beiden nicht. Sie halten sich nicht für die geborenen Aktivisten – auch in ihren Herzen regiert die Angst. Es ist ihnen wichtig – auch mit diesem Text – ihr Anliegen zu verbreiten, denn die einzigen, die dieser politisch angeordneten Naturzerstörung ablehnend gegenüber stehen sind sie nicht. Vielleicht ist die Lösung tatsächlich im Problem selbst zu finden: Das Gesetz scheint grosse Lücken und Widersprüche aufzuweisen, war jüngst in einem Kommentar in der Zeitung zu lesen. Ein schmaler Silberstreifen der Hoffnung am Horizont – für die Quinta das Figueiras zumindest. Das zukünftige Wohlergehen der Natur verschwindet zusehends in den Rauchschwaden von den grün verbrannten Pflanzen, die nun überall in Flammen aufgehen und die Luft verpesten. Der Termindruck lässt keine Zeit für freie Gedanken.

Der Autor zeichnet also ein düsteres Bild obschon er kein Maler ist. Seine Pinsel sind die Worte und seine Farben sind die Gedanken, die er und seine Gefährtin sich seit Monaten im Bezug auf die Waldbrände machen – über ihre Wirkung, ihre Entstehung und ihre Folgen, die sich nun – angefacht durch die Politik – noch zu verschlimmern drohen. Auch wenn das Gemälde keine Vollständigkeit erhalten hat, da der Rahmen dafür zu klein ist, so hat hoffentlich die Leserschaft eine Impression dessen erhalten, was für ein gigantisches Verbrechen derzeit im Gange ist. Leider können auch diese vielen, wohlüberlegten Worte nicht all das vermitteln, was das Auge sieht wenn es beispielsweise die Erde auf der Quinta das Figueiras mit jener auf den umliegenden Grundstücken vergleicht. Mögen aber diese Worte wenigstens irgendwo da draussen in der Welt auf offene Herzen und wache Geister stossen; diese dürfen auch gerne Ergänzungen, Kritik, Ideen oder einfach nur Mut an den Autor und seine Gefährtin zurück senden. Und bevor Sie nach der anstrengenden Lektüre in den Alltag zurückkehren, versuchen Sie sich nochmals Folgendes einzuprägen: Als Konsument und als Tourist können Sie direkt Einfluss auf das Geschehen nehmen und zwar weit über den Kontext dieses Artikels hinaus. Viele der grössten Probleme der Welt können wir mit unserem Verhalten steuern, und wenn wir nicht wissen wohin wir das Runder zu reissen haben, dann orientieren wir uns an der Natur – sie ist unser Kompass in schwierigen Zeiten. Das tönt esoterisch, doch dieser ganze vorliegende Text läuft letztlich auf diese Maxime hinaus. Es ist keine Esoterik, sondern reiner Pragmatismus.

 

Kühles Wetter, heisse Luft – Der weitere Verlauf im Sommerhalbjahr 2018

Oktober 2018

Das Wetter im Frühling 2018 war dominierend in seiner Ungewöhnlichkeit aber auch unser Alltag gestaltete sich sehr unterschiedlich im Vergleich zu den Vorjahren, denn die staatlich verordnete Landreinigung beherrsche unsere Gedanken gleichermassen wie unsere Zeiteinteilung. Wie in der Schrift Die Wüste brennt nicht – ein Trauerspiel in zwei Akten erläutert wurde, wollten wir mit dem Umfang der Rodung nicht über die Schmerzgrenze unseres Naturverständnisses hinausgehen und mussten uns daher der Angst vor möglichen juristischen Konsequenzen stellen.

Das Feuer der Panik hatte tatsächlich wild gelodert im ersten Viertel des Jahres 2018: Nachdem im Vorjahr die Waldbrände solch tragische Zerstörung angerichtet hatten, waren es dann Motorsägen und Pflüge, die unter dem Banner der Prävention weitere Untaten an der Natur begingen. Doch mit jeder weiteren nassen Woche, die vom Regen in den See des Vergangenen gespült wurde, entspannte sich die Lage. Wenn wir mit dem Auto unsere Gegend durchquerten oder auch mal weiter entfernte Gebiete besuchten, sahen wir an vielen Orten Situationen, die den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprachen – sogar noch im Juni, wo die Regierung Bussen bei Nichteinhalten in Aussicht gestellt hatte. Zum einen liess uns das aufatmen, denn viele prächtige Bäume und grosse Landstriche gesunden natürlichen Lebensraums sind wider unseren Befürchtungen nach wie vor intakt. Andererseits führte die plötzliche Apathie auch dazu, dass tatsächliche Gefahrenherde, beispielsweise in den Monokulturen oder entlang von Verkehrswegen, ebenfalls lange oder gar nicht beseitigt worden sind.

Auch in den Medien wurde das Thema mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Dann und wann war von ausgesprochenen Bussen zu hören, doch insgesamt bleibt der Eindruck, dass die Regierung wohl in Bezug auf ihre Kapazität, die angekündigten Kontrollen auch tatsächlich durchzuführen zu können, mehr heisse Luft und Polemik als tatsächliche Bemühungen verbreitet hat. Nicht einmal tragische Ereignisse wie der zerstörerische Grossbrand in Monchique (Algarve) hatten dazu geführt, dass die Debatten diesbezüglich wieder lauter geworden wären.

Mittlerweile ist die sogenannte kritische Periode vorbei und auch wir sind zum Glück in diesem Sommer nicht kontrolliert worden. Insgesamt – auch wenn die Ausnahmen immer tragisch sind – war es eine sehr ruhige Waldbrandsaison. Einer der regenreichsten Frühlinge der vergangenen Jahrzehnte trug viel zur Entspannung bei; dazu kam, dass aufkommende Feuer dieses Jahr viel effizienter bekämpft worden sind. Es bleibt zu wünschen, dass eine nachhaltige Waldpolitik den massiven Einsatz von Löschkräften in einigen Jahren bereits überflüssig macht.

9 Kommentare

  1. Fredi Kuster meint: 3. April 2018
  2. Susanne meint: 1. April 2018
  3. Tina Finkele meint: 31. März 2018
  4. Andreas Wiegan-Apitz meint: 31. März 2018
      • Andreas Wiegan-Apitz meint: 31. März 2018

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