Die Erde an den Händen ist abgewaschen, die frisch gesäuberten Finger noch kaum trocken, schon lässt sie der Autor, der eben noch Bauer war, wieder über die Tasten gleiten. Jetzt, da er und seine Gefährtin vielen Bäumen ein neues Zuhause verschafft und das Gemüse für den Winter gepflanzt haben, darf er sich wieder dem süssen Träumen hingeben. Er schwelgt gerade in Erinnerungen und freut sich darauf, seine treue Leserschaft auf eine weitere Reise mitnehmen zu dürfen.

 

Eine einmalige Gelegenheit

Herr und Frau Kuster bei der Arbeit

Ein guter Autor möchte ein noch besserer Reiseleiter sein, speziell dann, wenn er sein Publikum auf eine literarische Fahrt durch diese frühen Herbsttage mitnehmen will – Herbsttage, die, wie bereits berichtet, eigentlich keine solchen sind, da sich der Sommer noch immer standhaft weigert, sich aus unseren Gefilden zu verabschieden. Doch ein versierter Touristenführer langweilt seine Reisegruppe nicht mit Wiederholungen und genau deshalb wagt er es, mit seiner Erzählung einfach genau dort fortzufahren, wo er sie vergangene Woche unterbrochen hat: Der Besuch.

Es ist kein Geheimnis, es handelte sich um Manuels Eltern, die ein weiteres Mal die Aufwartung an unserem Hofe machten, wobei wie stets die Ehre auf Seiten der Hofdame und des Hofherrn die grössere war. Wunderschöne Tage erlebten wir gemeinsam mit Fredi und Cristina und im Beisein der Feriengäste fiel es uns auch leichter, eine weitere Zeit ohne den ersehnten Regen auszukommen. Doch halt, mit der Bezeichnung „Feriengäste“ verzerrt der Autor bloss die Wahrheit, denn die Eheleute Kuster unterstützten uns nicht nur tatkräftig bei allen möglichen Arbeiten auf der Quinta, sondern sie anerboten sich gar, eine Weile alleine auf Pflanzen und Tiere achtzugeben, damit wir noch einmal – und diesmal sogar für zwei Nächte – auf eine abenteuerliche Reise aufbrechen konnten!

Wieder unterwegs…

Eine kleine Schulung in Sachen Bewässerung und Raubtierfütterung war rasch erledigt und wir sollten ruhigen Blutes losziehen können – aber wohin? Zwei Nächte, drei ganze Tage; das erlaubte einen weit höheren geografischen Radius. Eine einmalige Gelegenheit um beispielsweise ganz weit in den Norden von Portugal, vielleicht bis in den paradiesischen Nationalpark von Geres, zu gelangen. Oder wollten wir dem süssen Nichtstun an den milden Stränden der Algarve frönen? Die Überlegungen sollten eine Weile andauern, doch letztendlich führten sie zu einer – im Grunde wenig überraschenden – Entscheidung…

 

Viele Wege führen nach Regua

Cinfães

Wie der edle und gut gelagerte Portwein auch nach Jahrzehnten im Gewölbekeller noch immer Bilder der jungfräulichen Reben im Geiste kreiert, so waren auch unsere Sehnsüchte nach dem wundervollen Land, wo der mächtige Rio Douro regiert, noch immer frisch und unwiderstehlich. Geradezu abwegig erschien es uns, nicht noch einmal in jene märchenhafte Region zu fahren, an die wir erst kurz zuvor unser Herz verloren hatten. So war erneut Peso da Regua unsere erste Anlaufstation, die wir aber auf alternativen Routen ansteuern wollten. Mit mehr Zeit im Kofferraum erklomm unser Renault 4L die Hügel paradoxerweise noch viel leichter und rasch waren wir in Cinfães, wo wir einen Mittagshalt einlegten.

Alte Freunde

Das Bilderbuchörtchen verwöhnte uns mit einem einfachen aber liebevollen almoço (Mittagessen) sowie postkartenreifen Anblicken der speziellen Gebäude. Gestärkt fuhren wir weiter; der nahe Fluss zog uns in seinen Bann, wie wenn wir uns im Einzug seiner Strömungskräfte befinden würden. Trocken blieben wir aber bis Porto Antigo, wo die Schönheit der Natur erneut solch eine überragende Dimension erreichte, dass die Tränen der Freude und der Überwältigung nicht mehr von ihrer Vereinigung mit den Wässern des Douro abgehalten werden konnten. Blutsbruderschaften mit Gewässern werden wohl auf diese Weise besiegelt.

Beflügelt durch das Widersehen mit unserem alten Freund, spielten wir ein stetes Versteckspiel auf den Wegen zwischen Porto Antigo, über Mesão Frio bis hin nach Peso da Regua, wo wir das heitere Spielchen endlich gewinnen konnten: Flussblick à discrétion, unterbrochen nur durch die Dunkelheit der Nacht, erwartete uns in unserer ersten Unterkunft. Die Bescheidenheit des Landlebens liessen wir für einmal mit Manuels Eltern zuhause; in vollen Zügen genossen wir die kulinarischen Kostbarkeiten der Region.

Mami Anita und Tochter Andrea

Ganz ohne familiäre „Zwischenfälle“ sollte dann aber der nächste Tag nicht mehr verlaufen: Spontan verabredeten wir uns nämlich für den Nachmittag mit Andreas Mutter, die sich gerade auf einer Rundreise durch Portugal befand und just am Nachmittag dieses Tages mit dem Schiff nach Peso da Regua kommen würde. Wir trafen Anita dann auf einem Weingut, wo wir kurz vorher alleine den Weinkeller inspiziert und aufregende Bekanntschaft mit den Erntehelfern geschlossen hatten.

 

Portwein ohne Ende

Auf zur Weinlese!

Der sich als Fremdenführer versuchende Autor entschuldigt sich an dieser Stelle, dass er solch monumentalen Elementen in diesem Bericht nur wenige Worte widmet, doch wie unser geliebtes Portugal, so ist auch diese Geschichte voller Sehenswürdigkeiten, die eigentlich alle für sich seitenweise Poesie verdient hätten. Nun, es wendete sich an dieser Stelle der Erzählung die Sonne bereits wieder dem Horizont entgegen; ein untrügliches Zeichen dafür, weiterfahren zu müssen – mit diesem Text und auch mit dem treuen Renault 4, schliesslich war das Tagesziel noch fern.

Der spätere Nachmittag eignet sich dazu, ostwärts zu reisen, mit der tiefstehenden Sonne im Rücken. Das taten wir, begleitet von einem unglaublich goldenen Licht. Strassen, die wir bereits befahren hatten, wirkten unter dieser Beleuchtung ganz anders als beim letzten Mal und die entgegengesetzte Fahrtrichtung eröffnete neue Blickwinkel. Pinhão sollte sich noch auf unseren Besuch gedulden müssen, denn kurz vorher bogen wir vom Flussufer ab und kletterten mit heissen Reifen den Hang hinauf, wo uns ganz oben Valença do Douro Willkommen hiess.

Valença do Douro

Unglaublicherweise befindet sich in diesem so wunderbar portugiesischen Dorf an privilegierter Lage gerade mal ein Hotel: Das Casa Cimeira. In diesem altehrwürdigen Haus sollten wir nicht nur logieren, wir waren auch zum gemeinsamen jantar (Abendessen) angemeldet. Erstmal wurden zur Begrüssung hauseigener Portwein und familiäre Herzlichkeit serviert. Ein Ort, der die offenen Herzen empfängt und nur schwer wieder loslässt – kein Wunder, dass wir von hier etwas mehr als nur die Sehnsucht mit nach Hause nehmen würden…

Als das schwindende Licht den von all der Pracht verwöhnten Augen endlich eine Pause gönnte, begab man sich in die Bar um in ebenso grosszügiger Weise die Gaumenfreuden zu zelebrieren. In fröhlicher Gesellschaft wurde angestossen, reich getafelt und viel geredet und gelacht. Fremde kamen zusammen um sich einen Abend lang wie alte Freunde zu benehmen. Die vorzügliche Runde löste sich nur zaghaft auf, denn nach dem Dessert wurden gar noch edle Liköre und Ports aus hauseigener Produktion verköstigt. Portwein ohne Ende, war in einer Review zu lesen und so wäre es wohl auch gewesen, wenn nicht der Schlaf immer aller Freude und allem Elend ein Ende setzen würde.

 

Auf Teufel komm raus

Casa Cimeira

Es war schon fast wieder Mittag geworden bis wir uns vom Casa Cimeira und seinen Menschen losreissen konnten (entgegen etwaigen Meinungen lag dies aber nicht an den Nachwirkungen des Portweins – wir waren sogar die ersten beim Frühstück). Doch wir hatten noch viel Zeit um den Nachhauseweg grosszügig auslegen zu können. Wir passierten Pinhão und folgten, soweit die Strassenführung dies zuliess, dem Lauf des Douro flussaufwärts. Wunderbare Landschaften und malerische Dörfchen gesellten sich laufend zu dem bereits gewaltigen Schatz an Reiseerinnerungen dazu.

Bei Vila Nova de Foz Côa verabschiedeten wir uns vom Douro – mit wenig Pathos, wie es sich für gute Freunde gehört. Die steinigen Hochebenen der Beira sangen uns ein stummes Lied von der Vergänglichkeit aller Dinge. Doch so leicht wollten wir uns nicht mit dem Ende dieser Reise abfinden und so besuchten wir noch Castelo Rodrigo, eines der zwölf historischen Dörfer Portugals (Aldeias Historicas). Blumengeschmückte Gassen empfingen uns und führten uns letzten Endes auf eine gemütliche Terrasse, die der untergehenden Sonne zugewandt war.

Castelo Rodrigo

Hier tranken wir ein letztes Bier in der Fremde – und fremdartig war es durchaus, dieses Getränk; gar sagenhaft im buchstäblichen Sinne: Zwei Teufel – os dois diabos – waren auf dem Etikett illustriert mitsamt einem Phallus. Die Geschichte dazu musste uns die verschmitzt lachende Wirtin natürlich erzählen. Sie entführte uns mit ihren Worten in die Stadt Amarante, die wir schon bald noch besser kennen lernen würden – auch wenn wir dies an diesem sentimentalen Punkt am Ende einer Reise noch nicht wissen konnten.

Doch wie nun die Dunkelheit die Strassen auf dem kleinen Rest unserer Fahrt einhüllte, so hüllt sich auch der Autor und Reiseführer endlich in Schweigen. Das Geheimnis von Amarante mit seinen zwei Teufeln wird erst im dritten und letzten Teil unserer „Geschichten aus einem falschen Herbst“ gelüftet werden. Möge die Leserschaft bis dahin mit den folgenden Impressionen unserer zweiten Reise besänftigt sein. Hier geht es zu den verschiedenen Bildstrecken:

 

Unterwegs Tag 1

 

Cinfães

 

Peso da Regua

 

Unterwegs Tag 2

 

Valença do Douro und Casa Cimeira

 

Unterwegs Tag 3

 

Castelo Rodrigo

3 Kommentare

  1. Mämeler meint: 17. Oktober 2017
  2. Markus Hefti meint: 15. Oktober 2017

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