Kaum ist der Schnee geschmolzen, der Boden aufgetaut und die ersten Sonnenstrahlen mit Wärme beladen, geht’s los: Ab in den Garten und rein in die Erde mit den verschiedensten Samen. Leider wurde kurz darauf schon so manches vorschnelle Gärtnerherz gebrochen. Neidisch denkt man dann vielleicht an die Leute in einem Land wie Portugal, wo es ja viel wärmer ist und wo es bestimmt viel einfacher sein muss, seinen Garten zu bestellen. Aber stimmt das denn überhaupt?

Ziel jedes Gärtners: eine Reiche Ernte

Als wir noch in Eggersriet gegärtnert hatten, war die Gartensaison so kurz, dass wir selten bis gar nie Gemüse vom Samen an gezogen hatten. Wir kauften uns einfach Pflanzen vom Biomarkt und besetzten damit unsere Beete. Wir hätten vielleicht Versuche auf dem Fensterbrett anstellen können aber schon damals war der Platz in unserem Hexenhäuschen etwas beschränkt. Auch wir glühten daher förmlich der längeren Vegetationsperiode entgegen, die uns in unserem neuen Zuhause im Südwesten Europas erwarten sollte.

 

Der Glut war dann doch zu viel: Gleich zu Beginn unserer Odyssee machten wir nämlich Bekanntschaft mit Hitze und Trockenheit; zweifellos die rangoberste Geissel der hiesigen bäurischen Gesellschaft. Darauf waren wir mental zwar vorbereitet aber emotional mussten wir uns in diesem „lebensfeindlichen Raum“, wie sich Manuel zynisch ausgedrückt hatte, erst einmal zurecht finden. Und Winter existiert auch hier, wenngleich Schnee eine Seltenheit ist und die Böden nicht durchfrieren. Dennoch gibt es regelmässig recht harte Frostnächte von November bis weit in den April hinein.

Frühbeete mit Abdeckungen

Müssig zu erwähnen, dass unser Aussaatkalender hier in Portugal völlig anders aussieht als jener in der Schweiz. Zu den starken Temperatur- und Witterungsvariationen zwischen den Jahreszeiten gesellen sich auch noch extreme Unterschiede zwischen Tag und Nacht – Schwankungen von über 20 Grad sind durchaus normal. Das bedeutet, dass die Frühbeete, die wir schon im Januar mit Tomaten besäen, immer wieder auf- und zugedeckt werden müssen damit die Pflänzchen nicht vom Dampfkochtopf in die Gefriertruhe versetzt werden um es mal bildlich auszudrücken.

Manchmal sind wir etwas frustriert, wenn wir im Internet in deutschsprachigen Gärtnerforen feststellen, dass unsere Genossen in Mitteleuropa bereits die grösseren Tomaten, Paprika und Auberginen in ihren Anzuchtschalen präsentieren können als wir. Helle Fensterplätze in geheizten Räumen – auf diese baulichen Vorteile müssen wir uns noch gedulden. Trotzdem stellen sich Jahr für Jahr grössere Erfolge ein. Die Befriedigung, ein Gemüse vom Samen bis zur Ernte begleiten und anschliessend verspeisen zu dürfen, ist unübertrefflich. Und Sommerfrüchte noch im Dezember frisch aus dem Garten zu holen, kompensiert dann ja auch irgendwie für den Ärger mit der Anzucht… 😉

Ein herrlicher Blumenkohl

Eine grosse Herausforderung sind noch immer verschiedene Kohl- oder auch Lauchsorten. Blumenkohl, Broccoli und Konsorten sind hierzulande Winterfrüchte, die aber schon im Spätsommer ausgesät werden müssten. Die Saatbeete bei Hitze und Dürre feucht zu halten ist aufwändig. Wir haben die richtige Zeit bis anhin immer verpasst und besorgten uns dann im Herbst die Pflanzen vom regionalen Bauernmarkt. Ökologisch ist dies völlig vertretbar aber der Ehrgeiz, einen Schritt weiter in Richtung Selbstversorgung zu gehen, wird uns wohl noch zu weiteren Versuchen antreiben.

Markt oder Nachbarschaft sind wertvolle Bezugsquellen für Pflanzgut. An vielfältiges und biologisches Saatgut zu gelangen ist in Portugal allerdings etwas schwieriger. Da schafft das Internet zum Glück Abhilfe für Sortenfanatiker wie uns. Samen mit der Post aus anderen Teilen Europas zu bestellen, lässt sich für uns ethisch und umweltbezogen absolut rechtfertigen. Alte, erhaltenswerte Sorten von Pro Specie Rara und eine Vielfalt an biologischem Gemüse aus Demeter-Saatgut halten damit Einzug auf unserem Hof.

Hurra, es keimt!

In diesem Jahr fanden erstmals grössere Mengen von selbst gewonnenem Saatgut den Weg in unsere Frühbeete und Anzuchtschalen. Jedes Keimblatt, das sich seither zeigt, lässt unsere Herzen frohlocken – auch wenn wir demütig daran denken, dass es noch ein weiter Weg ist bis zur reifen Frucht. Unser Bestreben – oder möglicherweise ist es auch nur eine Hoffnung – besteht darin, durch eigene Produktion von Saatgut, die Pflanzen von Generation zu Generation besser an die Gegebenheiten von unserer Quinta anzupassen.

 

Mit den Standortbedingungen hat der Erfolg im Garten letztendlich wenig zu tun. Die Befriedigung liegt in der Freude im Umgang mit lebendiger Materie und im Verständnis der Natur, welche wir mit jedem Gartenjahr ein Stückchen besser begreifen lernen. Von den Resultaten anderer sollten wir uns nicht entmutigen lassen, denn wir müssen uns auf die eigene Ausgangslage konzentrieren. Wie hole ich das Beste aus meinem Hof, meinem Schrebergarten, meiner Terrasse oder meinem Fensterbrett raus?

Eigenes Saatgut – eine Herzensangelegenheit

Somit sind wir alle mit unserem Streben alleine, denn wir sind weder unseren Nachbarn noch der Internet-Community Rechenschaft schuldig. Unsere Verantwortung liegt im Versuch, wenigstens einen kleinen Teil gesunder Lebensmittel selbst anzubauen. Damit leisten wir einen Beitrag gegen die schleichende Entfremdung von der Natur und der Herkunft unserer Nahrung. Es ist die Saat, die dann hoffentlich irgendwann aufgeht als das nötige Umdenken, welches unserer Meinung nach in der Gesellschaft stattfinden sollte.

 

 

Aussaat, Ernte, Saatgutgewinnung in farbiger Bildsprache. Hier geht es zur Fotostrecke:

 

3 Kommentare

  1. Mämeler meint: 2. April 2017
  2. Markus Hefti meint: 2. April 2017

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