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REISEBERICHT TEIL 3: Die Willkommens-Fahnen stehen auf Halbmast

Nur noch ein paar Gerippe in einem Meer aus vertrocknetem Gras, der Boden hart wie Beton oder andernfalls staubig wie die Wüste. Einige letzte welke Blätter erinnerten noch an den Schatten, die unsere Bäume einst der Erde zu ihren Füssen gespendet hatten. Im Dämmerlicht des sich rasch verziehenden Tages, der uns mitfühlend der tröstenden Dunkelheit überlassen mochte, wirkte es wie eine durch und durch lebensfeindliche Zone: Unsere Quinta, unser Land, unser Quell des Lebens, unsere Zukunft – nur noch Dürre, Staub, Verderben…

Dies sind nicht die Bilder und Emotionen des Ankommens, die wir mit Philippe und Kida zu teilen gehofft hatten. Nur der Schock verhinderte das ungehinderte Fliessen der Tränen – Tropfen, die auf der heissen Erde dem Verdampfen ausgeliefert gewesen wären. Auch unsere Freunde nahmen sich in den Arm und fanden erst nach einigen Minuten wieder zu ihren stets aufmunternden Worten zurück. Doch ihre blosse Anwesenheit und ihr ehrlich geteiltes Leid gaben uns die Kraft, den Abend des Heimkommens dennoch mit den Freuden eines guten Essens und eines Schlucks Wein als Seelenbalsam würdig zu gestalten.

Am nächsten Tag war es an uns, den Schaden erstmal distanziert zu betrachten und Bestand aufzunehmen. Es musste konstatiert werden, dass der Zeitpunkt des Einpflanzens für viele Bäume und Sträucher Ende März wohl zu spät war und diese für die folgenden zwei eher trocken ausgefallenen Monate nicht mehr die Zeit gefunden hatten, sich kräftig genug anzuwurzeln. Dennoch war in den Überresten der meisten Pflanzen noch mehr Saft und somit Leben vorhanden als wir zu hoffen gewagt hätten. Das Licht des Tages offenbarte uns aber nicht nur positive Überraschungen: Leider hinterliess uns ein Nachbar – den wir bis anhin wohlgemerkt noch nicht einmal zu Gesicht bekommen haben – einen Wilkommensgruss der besonders niederträchtigen Art. Er hat uns einige Pflanzen und ganze junge Bäume mutwillig aus der Erde gerissen, nicht nur jene, die an sein Grundstück grenzen, sondern auch willkürlich alles, was er in die Finger bekommen hat. Mehr Schaden geht auf das Konto dieser traurigen Kreatur, als auf jenes der Trockenheit…

Es grenzen etwa vier verschiedene Grundstücke an unsere Quinta, davon sind zwei bewohnt, die anderen rein landwirtschaftlich genutzt. Die Nachbarn, die hier wohnen haben wir schon lange kennen und schätzen gelernt. Es sind sehr herzliche und grosszügige, ehrliche und einfache Leute. Wenn wir Gemüse direkt bei ihnen kaufen wollen, lassen sie uns selten genug oder überhaupt bezahlen. Auch schon erlebten wir unter diesen tollen Menschen ein denkwürdiges Wildschweinessen! Dieser andere Nachbar steht in dermassen krassem Kontrast gegen alles was wir bisher in Portugal erfahren durften, dass wir an dieser neuen Situation schwer zu nagen haben. Bisher haben wir den Herrn noch immer nicht getroffen, doch wir erwarten gespannt die erste Begegnung.

Um uns zermürben zu lassen fehlte uns glücklicherweise die Zeit. Unsere Kräfte konzentrierten wir lieber darauf, es uns mit Philippe und Kida möglichst rasch gemütlich einzurichten und die Ankunft von Fredi und Cristina vorzubereiten. Manuel’s Eltern hatten keine lebenden Tiere geladen und folglich genossen sie das Privileg, die Reise etwas gemütlicher angehen zu können. Daher waren sie einen Tag länger auf der Strasse und kamen zwei Tage nach uns in Vale de Prazeres an. Gross war die Freude über das Wiedersehen und alle waren glücklich, einander gesund und munter in unserer neuen Heimat wieder anzutreffen. Für unsere mentale Verfassung angesichts der durchlebten Schreckensszenarien war es sehr hilfreich, dass wir uns in diesen ersten zwei Wochen im Kreise unserer Liebsten aufhalten durften.

Mit vereinten Kräften wurde in diesen Tagen einiges erreicht: Das Hauszelt wurde noch am Tage von Fredi’s und Cristina’s Ankunft aufgebaut, unser Schlaf- und Wohnzimmer wurde hergerichtet, provisorische Türen eingebaut, Regale hochgeschraubt, Wasseranschlüsse installiert, die Waschmaschine angeschlossen und auch ein neuer Kühlschrank wurde besorgt. Alles in Allem durften wir dank der Unterstützung unserer Freunde schon nach kurzer Zeit Annehmlichkeiten geniessen, die wir kaum für möglich gehalten hätten. Dies erlaubte es uns auch, unsere Gäste so fürstlich als möglich zu versorgen – wir hoffen, es ist uns gelungen, unsere tief empfundene Dankbarkeit gegenüber diesen Perlen der Menschheit zum Ausdruck zu bringen.

Wer von Liebe umgeben und von Dankbarkeit erfüllt ist, kann auch wahre Wunder verbringen. Diese Erfahrung durften wir in diesen vergangenen ersten Wochen in unserer neuen Heimat durchleben. Mit viel Sorgfalt und liebevoller Behandlung zum jeweils richtigen Mond-Zeitpunkt konnten wir viele der totgesagten Bäume und kleineren Pflanzen ins Leben zurückführen. Es war ein erhabenes Gefühl, als sich an einigen der trockenen Gerippe erste grüne Knospen gezeigt haben und es erfüllte uns mit Freude, Hoffnung und auch Stolz, als nach einigen Wochen dann beispielsweise die Zitrusbäume wieder als grüne Inseln aus dem Meer aus braunem Gras erstrahlten, saftig und kraftvoll als wäre nichts geschehen gewesen.

Nach dieser turbulenten Reise und dem emotionalen Start in unsere neues Leben – nachdem zuerst Phil und Kida und danach auch Fredi und Cristina uns wieder verlassen hatten – kam die Glutofenhitze mit Temperaturen von über 40 Grad am Schatten. Und diess mehrere Tage am Stück. Die ganze Erschöpfung des Umzugs schlug uns nieder und wir verfielen dem sommerlichen Hitzeblues. Dochniemand hatt je behauptet, dass es einfach sein würde, unser Vorhaben in die Tat umzusetzen. Und das war und ist es auch wirklich nicht. Es ist manchmal leicht daran getan, unser altes Leben in der Schweiz zu vermissen. Doch dann vergisst man auch die Gründe, die zu unserer Entscheidung geführt haben. Wir dürfen allen Widrigkeiten zum Trotz glücklich sein, dass wir die Möglichkeit haben, unser Leben selbst zu gestalten, denn dies ist keine Selbstverständlichkeit. Und die Erfahrungen und Erlebnisse haben uns nur stärker gemacht und lassen unsere Zukunft im strahlenden Licht der Hoffnung erstrahlen. Einzig Geduld ist gefragt, so ein Lebenstraum setzt sich ja nicht von Heute auf Morgen um – und schon gar nicht von selbst.

 

Die Schilderung dieser verrückten Reise aus unserer Sicht endet hier. Doch auch unsere Katzen konnten es sich nicht verkneifen, die Geschehnisse aus ihrer Optik zu beschreiben:

REISEBERICHT: Ein Katzennachwort

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