Eine Woche ist erst vergangen seit an dieser Stelle der zweite Teil unserer Abenteuer erzählt worden ist, doch scheint es, als würden Monate dazwischen liegen. Grund dafür ist die Veränderung, die sich vor den Pforten dieses bescheidenen Hauses zugetragen hat, in dem sich der Autor sich nun verschanzt hat um seine Leserschaft mit dem versprochenen dritten Teil der „Geschichten aus einem falschen Herbst“ zu verwöhnen. Sie mögen es ahnen, dennoch wollen wir jegliche Zweifel beseitigen und es aussprechen: Der echte Herbst hat endlich Einzug gehalten.

Die erlösenden Regenwolken der letzten Tage lösen sich gegenwärtig bereits wieder in ihre kleinsten Bestandteile auf und zurück bleibt das veränderte Licht, das Rascheln der Blätter, die den feuchtkühlen Windböen geopfert worden sind und nun mit dem Farbspiel in eine heitere Symphonie der dritten Jahreszeit einstimmen. Trotzdem fällt es dem Autor etwas weniger leicht, in seine Erinnerungen einzutauchen, denn – er hat es bereits erwähnt – die Zeiten, von denen es zu erzählen gilt, liegen nun plötzlich viel weiter zurück aber er krempelt die Ärmel hoch, wo es vor kurzem noch gar nichts zu krempeln gab; vielleicht ist es auch nur diese ungewohnte Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die es zu beseitigen gibt damit es endlich losgehen kann mit unserer nächsten Reise.

 

Der Schlüssel zum Glück

Drei Kusters in Monsanto

Schon wähnen wir uns wieder inmitten der Geschichte, fröhliche Tage auf dem Hof im Beisein von Fredi und Cristina. Was für Erlebnisse wir mit Manuels Eltern hatten, ist Teil einer anderen Geschichte doch in einem ganz bestimmten Punkt überschneidet sie sich mit der Erzählung, die uns nun bevorsteht. Dieser Punkt ist ein Berg und heisst Monsanto, ein besonderer Ort von dem wir bereits bei anderen Gelegenheiten berichtet hatten. Wir genossen zu viert die wundervolle Abendstimmung bei atemberaubender Aussicht und familiärer Atmosphäre in der einfachen Taverne als der kühle Nachtwind Einzug hielt und mit sich einen Wink des Schicksals brachte…

Schlüsselort: Valença do Douro

Der Autor möchte nun sein Publikum nicht in die Pflicht des freien Erinnerns nehmen, darum zitiert er an dieser wegweisenden Stelle nochmals den verheissungsvollen Satz aus dem vorangehenden Teil, dort wo von unserem unvergesslichen Aufenthalt im Casa Cimeira die Rede war: kein Wunder, dass wir von hier etwas mehr als nur die Sehnsucht mit nach Hause nehmen würden… Nun endlich folgt die Auflösung, eine ganze Woche musste die gequälte Leserschaft nun auf die Lüftung des Geheimnisses warten; Andrea also zog sich in Monsanto eine Jacke an, die sie zuletzt in Valença do Douro getragen hatte – und fand darin den Schlüssel zu unserem Zimmer im Casa Cimeira.

Manchmal kommt man nicht umhin, den Zeichen Beachtung zu schenken. Doch so leicht machten wir es uns nicht. Ein Anruf bei unseren damaligen Gastgebern beruhigte immerhin das schlechte Gewissen, denn einen Ersatzschlüssel gab es. Doch wollten wir ehrlich und aufrichtig den Schlüssel mit der Post zurück senden und als wir in der Filiale bei uns im Dorf alle Geschäfte erledigt hatten, wurde es offenbar, dass wir diesen verflixten Schlüssel wieder zuhause vergessen hatten. Das war das Zeichen, welches unsere Aufmerksamkeit nun so offenkundig auf sich zog, dass wir entschieden, kurz nach der Abreise von Cristina und Fredi den Schlüssel persönlich seinem Herrn zu retournieren.

 

Schuld hat die Ente

Penedono

Erneut war der Douro das Ziel und wieder waren die Wege solche, die unser Renault 4 zuvor nicht unter seinen Reifen gespürt hatte. Penedono lag auf unserer Route, und mit seinem mittelalterlichen Charme veranlasste es uns zu einem Halt. Dann schlichen wir uns wie zwei reumütige Schlüsseldiebe von hinten, das heisst von der Hochebene kommend, nach Valença do Douro. Nur kaltes Metall ist so ein Schlüssel, doch war die Freude über seine Rückkehr in die vertrauten Mauern des Casa Cimeira greifbar. Dann ging es hinunter an den Fluss mit russischen Passagieren, die ganz entzückt waren von unserem gelben Transportmittel und sicher auch über die Tatsache, sich ein Taxi sparen zu können. Eigentlich eine tiefgreifende Episode, welcher der beschämte Auto nur allzu wenig Platz einräumt – möge die Geschichte anderswo, in Russland vielleicht, mit der ihr gebührenden Aufmerksamkeit und Ausführlichkeit erzählt werden!

Casa do Outeiro

Wieder rollten wir durch das üppige Flusstal und wer der Meinung ist, es sei doch fantasielos, dreimal innert Kürze in dieselbe Region zu fahren, der war noch nie im Douro. Wir jedenfalls genossen die Fahrt, als wäre es die erste oder die letzte, so sollte das Leben sein: nicht nur ein Wartesaal zwischen dem allerersten und dem finalen Zug, der in den endgültigen Tunnel des Vergessens hineinsteuert. Aber noch erwartete uns am Ziel kein dunkler Stollen, sondern eine lichtdurchflutete Allee aus mächtigen Linden, dahinter in all seiner herrschaftlichen Pracht das Casa do Outeiro. Unsere herzliche Gastgeberin Inês wartete mit einer kühlen Flasche Vinho Verde auf und kurz darauf waren wir nass bis auf die Knochen – warum, mag man sich fragen, Schuld hat die Ente, ist die Antwort. 

Unsere Vorliebe für die Schönheiten der Natur oder geschichtsträchtige Gebäude ist dem aufmerksamen Leser bestimmt hinlänglich bekannt – aber dass wir uns von einem Swimmingpool und einer aufblasbaren Plastikente derartig in Ekstase versetzen lassen, mag überraschend sein. Jedenfalls war es das für uns. Doch dieses freche, gelbe Ding mit dem neckisch lachenden Schnabel hat es geschafft, uns soweit zu provozieren, dass wir uns zu einem Entenrodeo mit unfreiwilliger Landung im Schwimmbecken hinreissen liessen; ein gewaltiger Spass der seltenen Art. Aber natürlich war auch noch Zeit, die verwunschene Parkanlage und das ehrwürdige Haus mit samt seiner Kapelle zu erkunden und zu geniessen.

 

Poesie und Fruchtbarkeit

Kathedrale von Amarante

Wieder mussten wir uns am nächsten Tag schweren Herzens von einem Ort trennen, der unser Innerstes berührt hat, der uns nicht gehen liess, ohne uns das Versprechen abzuringen, eines Tages zurück zu kehren, sofern es denn der Götter Wille sei. Aber immerhin befanden wir uns auf einer Art Mission, die uns zu diesem Zeitpunkt bereits ein ganzen Stück weit vom Douro weggeführt hatte, an den langen Arm des Rio Tâmega, dessen Lauf wir folgen wollten bis nach Amarante – schliesslich gibt es hier ein weiteres Geheimnis aufzuklären, nämlich jenes der zwei Teufel, denen wir bereits in Castelo Rodrigo begegnet waren.

Über Amarante gäbe es viel zu berichten – seinen Stadtheiligen Gonçalo zum Beispiel, der so vielen glücklosen Paaren zu fruchtbaren Erfolgen verholfen haben soll – doch wir überlassen das nüchterne Belichten von Fakten den Reiseführern, Geschichtsbüchern und Lexika. Auch ohne Hintergrundwissen atmet diese Stadt Geschichte; stumme Zeitzeugen aus Stein oder Holz, die dennoch erzählen – lebhafter womöglich als es alles Fleisch und Blut dieser Welt jemals zu tun vermag. Einem dieser Poeten, der es dennoch gewagt hat, an diesem überwältigenden Ort Feder und Papier zu benutzen, begegneten wir auch noch: Teixeira de Pascoaes, dessen Geburtshaus wir in der Altstadt antrafen.

Neckische Leckereien

Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sich unsere Pfade mit denen des Dichters kreuzten, doch es warteten die Teufel auf uns und auf dem Weg zum Museum, wurden wir schon durch eine Hochzeit abgelenkt, die gerade in der majestätischen Kathedrale abgehalten wurde. Diabo und Diaba begrüssten uns freundlich, wie es für Teufel nicht eben üblich ist. Wahrscheinlich sind sie dem gewöhnlichen Volke wohlgesinnt, denn dieses war es, welches die ketzerischen Holzfiguren vor der Verbannung durch den Bischof von Braga bewahrt hatte. Und als wäre dies nicht schon genug der Kuriositäten, verkauft eine alte Dame vor den Toren des Museums süsses Gebäck in Phallus-Form. Amarante, feiere deine Fruchtbarkeit in fleischlichen wie auch in geistigen Dingen!

 

Märchenhafte Verheissung

Geburtshaus des Dichters

Nun wäre es angebracht, noch in wenigen Sätzen von unserem Abschied von Amarante zu erzählen und nur beiläufig von der Rückfahrt, denn schon sind der Worte für diese Woche wieder genug. Der Leser hat sicher noch anderweitige Verpflichtungen als den nicht enden wollenden Ausführungen eines entfesselten Autors zu folgen. Auch die beiden Hauptprotagonisten dieser Geschichte waren an dieser Stelle bereits auf das Ende eingestellt aber – so lasst uns das Kind endlich beim Namen nennen – es folgte noch eine weitere Episode.

Der Autor hat eine Geschichte in drei Teilen versprochen, dabei wollen wir es belassen, schliesslich soll er nicht als Lügner dastehen. Doch da die noch zu erzählenden Geschehnisse so unglaublich sind, dass sie an eine Fantasiegeschichte erinnern, dürfen wir, das Wohlwollen der Leserschaft vorausgesetzt, diese nun zu Ende erzählte Trilogie „Geschichten aus einem falschen Herbst“ zum Abschluss bringen und auf die weitere Erzählung mit dem Titel „Ein wahres Märchen aus einem falschen Herbst“ vertrösten. Die Spur mit dem Dichter Teixeira de Pascoaes ist ja bereits gelegt – sie wird uns unweigerlich in eine traumgleiche Welt entführen. Möge es bereits in einer Woche sein oder nicht, die Magie der Schönheit soll die Zeit bis dahin mit Wundern füllen.

 

Penedono

 

Unterwegs im Douro

 

Casa do Outeiro

 

Ride the Duck

 

Amarante

 

4 Kommentare

  1. Mämeler meint: 22. Oktober 2017
  2. Markus Hefti meint: 22. Oktober 2017

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